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 Einige Republikaner wollen chinesische Studenten von MINT-Fächern an US-Universitäten, hier die Universität Harvard, ausschließen.

© IMAGO

Die USA koppeln sich kulturell von China ab: Keine Korrespondenten, keine Studenten, keine Sprachkurse

Der Abbruch der kulturellen Beziehungen wird den USA mehr schaden als China. Diese Trennung wäre eine Tragödie. Ein Gastbeitrag.

Minxin Pei ist Professor für Politikwissenschaften am Claremont McKenna College und nichtresidenter Senior Fellow beim German Marshall Fund der Vereinigten Staaten. Aus dem Englischen von Harald Eckhoff. Copyright:Project Syndicate, 2020.www.project-syndicate.org

Die „Abkopplung“ ist für das geopolitische Duell zwischen den Vereinigten Staaten und China von zentraler Bedeutung. Diese Strategie, die von den Falken in US-Präsident Donald Trumps Regierung erdacht und gefördert wurde, ist heute das Hauptwerkzeug Amerikas, um die chinesische Macht zu schwächen.

Durch den ersten Akt der Abkopplung (decoupling) – den sino-amerikanischen Handelskrieg, der 2018 begann – wurde der bilaterale Handel erheblich reduziert. Ein ähnlicher Prozess findet nun im Technologiesektor statt. Die USA führen eine unerbittliche Kampagne gegen chinesische Technologiegiganten wie Huawei und ByteDance, den Eigentümer der beliebten Video-App TikTok.

Und mit der Drohung der Trump-Regierung, chinesische Firmen von den US-Börsen auszuschließen, wenn sie den amerikanischen Prüfern keinen Zugriff auf ihre Buchführung in China gewähren, hat auch die finanzielle Abkopplung bereits begonnen.

Obwohl es abzuwarten bleibt, ob China durch die wirtschaftliche Abkopplung in Schach gehalten werden kann, klingt zumindest die strategische Logik dahinter bestechend: Da China von seinen wirtschaftlichen Verbindungen zu den USA profitiert, wird deren Kappung das chinesische Wachstum unweigerlich schwächen.

Das Fulbright-Austauschprogramm wurde im Juli abgebrochen

Leider sind die US-Falken damit noch nicht zufrieden und wollen auch Amerikas kulturelle und pädagogische Verbindungen zu China beenden – wie ihre jüngsten Aktionen zeigen. Anfang des Jahres zwang der Druck republikanischer Gesetzgeber das Peace Corps, das seit 1993 über 1300 Amerikaner nach China gesandt hatte, sein Programm im Land zu beenden. Und im Juli brach Trump das amerikanische Stipendienprogramm Fulbright in Festlandchina und Hongkong ab – als Teil der US-Sanktionen gegen die neuen Sicherheitsgesetze der chinesischen Regierung in der Stadt.

Ende Mai schlugen zwei republikanische Politiker ein Gesetz vor, um chinesische Staatsangehörige daran zu hindern, in den USA sogenannte MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu studieren. Und am 13. August erklärte das US-Außenministerium das Confucius Institute US Center, eine von der chinesischen Regierung unterstützte Institution, die Sprachprogramme anbietet, zur „ausländischen Mission“, was mit ziemlicher Sicherheit zum Ende ihrer Aktivitäten in den USA führen wird.

Der Journalismus ist schon abgekoppelt 

Die schnellste Abkopplung erlitt jedoch der Journalismus. Nachdem das Wall Street Journal Anfang Februar einen Kommentar veröffentlicht hatte, dessen Überschrift China als den „wirklich kranken Mann in Asien“ bezeichnete, wies die chinesische Regierung drei Journalisten der Zeitung aus dem Land aus.

Die USA revanchierten sich Anfang März, indem sie 60 chinesische Bürger, die für staatseigene chinesische Medienbetriebe in Amerika arbeiteten, zwangen, das Land zu verlassen. Daraufhin verwies China alle US-Bürger, die für die "New York Times", das "Wall Street Journal" und die "Washington Post" tätig waren, des Landes – und blockierte damit letztlich die Möglichkeit dieser Publikationen, aus dem Reich der Mitte zu berichten.

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Kulturelle, pädagogische und journalistische Verbindungen zwischen den USA und China zu kappen, ist für Amerika unklug und kontraproduktiv. Statt durch die Propagierung amerikanischer Werte langfristige strategische Ziele zu verfolgen und weiterhin moralisch die Oberhand zu behalten, spielt die Trump-Regierung der chinesischen Regierung in die Hände, die diese Verbindungen als Mittel ideologischer und kultureller Infiltration durch die USA betrachtet.

Ohne von der Regierung geförderte Austauschprogramme wie Fulbright oder das Peace Corps haben die USA keine direkten Kanäle mehr, um die normalen chinesischen Bürger zu erreichen, insbesondere die Jugendlichen. Über diese Programme lehren Amerikaner Englisch, amerikanische Gesichte und Literatur sowie westliche Sozialwissenschaften – häufig in abgelegenen Gebieten Chinas, die kaum Kontakt mit der Außenwelt haben.

Solche Aktivitäten helfen dem chinesischen Volk, ein besseres Verständnis für die USA zu bekommen, und tragen dazu bei, offizielle antiamerikanische Propaganda zu neutralisieren. Diese Programme zu beenden läuft somit auf eine unilaterale ideologische Abrüstung der USA hinaus.

 Die Ausweisung von 60 chinesischen Journalisten war unangemessen

Eine gewisse Revanche der USA gegen die chinesische Drangsalierung amerikanischer Journalisten scheint vernünftig. Aber die unangemessene Ausweisung 60 chinesischer Journalisten durch die Trump-Regierung gab der Regierung in China einen Vorwand dafür, etwas zu tun, was sie schon lange plante: die besten amerikanischen Reporter rauszuwerfen.

Die massenhaften gegenseitigen Ausweisungen amerikanischer und chinesischer Journalisten werden Amerika viel mehr schaden als China. Während Reporter chinesisch-staatseigener Nachrichtenmedien in den USA kaum seriöse und unabhängige Berichterstattung zur Aufklärung der chinesischen Öffentlichkeit leisten, stellen amerikanische Journalisten in China – trotz ständiger Schikanen und Überwachung durch die chinesische Regierung – unschätzbar wertvolle Informationen über das Land zur Verfügung. Ohne diese Kanäle sind die US-Politiker nicht mehr in der Lage, entscheidende Entwicklungen in China nachzuverfolgen.

Chinesische Studenten von MINT-Fächern ausschließen?

Und schließen die Amerikaner auch noch chinesische Studenten von MINT-Fächern in den USA aus, wird das die USA auf diesem Gebiet enorme Talente kosten und den Fortschritt Chinas fördern. Begabte Chinesen werden zum Studieren stattdessen in andere Industriestaaten gehen – und viele von ihnen werden dann nach Hause zurückkehren, weil die Karrieremöglichkeiten in MINT-Fächern außerhalb der USA nicht so gut sind.

Während China von diesem umgekehrten „Brain Drain“ profitiert, werden die USA auf die Beiträge zehntausender Ingenieure und Wissenschaftler verzichten müssen. Von den 31052 Doktortiteln in allen MINT-Fächern in den USA zwischen 2015 und 2017 fielen 16 Prozent auf chinesische Studenten, darunter 22 Prozent bei den Ingenieuren und 25 Prozent bei den Mathematikern. Darüber hinaus bleiben etwa 90 Prozent der chinesischen Studenten im Wissenschafts- und Ingenieursbereich nach dem Ende ihres Doktorats für mindestens zehn Jahre in den USA – der höchste Anteil unter allen Nationalitäten.

Die Beziehungen zwischen den USA und China stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Die wirtschaftliche Abkopplung ist bereits sichtbar, und auch die von den USA ausgehende kulturelle Trennung – die vor noch nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre – könnte Wirklichkeit werden. Dies wäre eine Tragödie, und Amerika wäre der größte Verlierer.

Minxin Pei

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