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Meinung Hongkong

Merkel spricht von Grundrechten und denkt an Geschäfte

Freier Autor
Neues Sanktionsgesetz gegen China wegen Hongkong

US-Präsident Donald Trump hat ein neues Sanktionsgesetz unterzeichnet, mit dem China für repressive Aktionen in Hongkong zur Rechenschaft ziehen soll. Außerdem spielte Trump das Problem tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA herunter.

Quelle: WELT

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Die Bundeskanzlerin spricht zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft über Grundrechte. Wenn es aber um Hongkong geht, stehen „handelspolitische Verbindungen“ im Vordergrund. London und Washington sind da mutiger.

Angela Merkel verpasst selten eine Gelegenheit, eine Gelegenheit zu verpassen. So auch bei ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament am 8. Juli zu den Zielen der deutschen Ratspräsidentschaft. Eingangs nannte sie „Europas Verantwortung in der Welt“ als Thema, das ihr „besonders wichtig“ sei. Ein anderes seien die „Grundrechte“.

Während Merkel sprach, machten chinesische Geheimdienstler in Hongkong Jagd auf Oppositionelle. Das in Peking beschlossene „Sicherheitsgesetz“ hebt die auf europäischen Vorstellungen von der Würde des Menschen und vertraglichen Abmachungen mit Großbritannien beruhenden Grundrechte in der ehemaligen Kolonie auf. Sie wird damit dem Festland gleichgeschaltet, wo die Kommunistische Partei ihre Diktatur mit Umerziehungslagern und Totalüberwachung durchsetzt.

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Merkel hätte das Podium benutzen müssen, um den Demokraten in Hongkong – und China überhaupt – Mut zu machen. Stattdessen sagte sie, die Beziehungen mit China seien „durch enge handelspolitische Verbindungen, aber gleichermaßen auch sehr unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen, vorneweg bei der Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit, geprägt“. Sie wolle aber „den offenen Dialog mit China fortsetzen.“

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Das war’s. „Offener Dialog“ bedeutet im Klartext, die europäische Seite bringt „Bedenken“ vor und die chinesische Seite sagt, entweder ihr haltet die Klappe oder wir machen euren Firmen hier das Leben schwer. Woraufhin die Europäer die Klappe halten.

So ging es schon der britischen Premierministerin Theresa May, die vor zwei Jahren nach China reiste, um für ihre Losung eines „Global Britain“ zu werben. Die Chinesen machten jeden wirtschaftlichen Fortschritt davon abhängig, dass May zu politischen Dingen schwieg. Die Britin kniff. Die Folgen dieser Feigheit baden heute die Demokraten in Hongkong aus.

Inzwischen hat Boris Johnson den Bürgern Hongkongs das britische Bürgerrecht versprochen und seine frühere Entscheidung, die Firma Huawei am Ausbau des 5G-Netzwerks zu beteiligen, rückgängig gemacht.

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Die US-Regierung denkt über Sanktionen gegen Mitglieder der KP Chinas nach. Diese Reaktionen stellen keinen Maximal-, sondern einen Minimalkatalog dar. Wenn schon Rat und Kommission kneifen, wenn Merkel wie May Geschäftsinteressen über Grundrechte stellt, sollte das Europäische Parlament jene „Verantwortung in der Welt“ wahrnehmen, von der Merkel sprach, vor der sie aber Angst hat.

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