Dushan-Wegner

08.06.2022

Chinaprotokoll, oder: Die Sprache der Vernichtung

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Foto von Joey Huang
Die Regierung hasst Querdenker. Grundrechte zu fordern, das ist bald »rechts« und »böse«. – Aber: Querdenker sind Menschen, die noch praktisch glauben, dass der Bürger in der Demokratie eine Stimme hat und etwas ändern kann. Ist DAS das wahre Problem?
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Nehmen wir an, Sie finden sich plötzlich in einem fremden Land wieder. (Für manchen Bürger fühlt sich ja Deutschland heute tatsächlich an, als wären sie auf einem fremden Planeten mit ganz neuartiger Logik gelandet.)

Nehmen wir weiter an, dass in diesem fremden Land auch eine ganz fremde Sprache gesprochen wird.

Sie verstehen kaum ein Wort.

Aber Sie haben einige Wörterbücher zur Verfügung, ob modern elektronisch, oder ganz altmodisch aus Papier.

Wie finden Sie nun heraus, welches Wörterbuch das richtige ist, und damit, welche Sprache gesprochen wird und wo Sie sich überhaupt befinden?

Probieren Sie doch einfach ein Wörterbuch nach dem anderen aus! Mit dem richtigen Wörterbuch wird alles plötzlich Sinn ergeben. Dann können Sie auch die Sprache angeben, die aktuell gesprochen wird. Und Sie können schließen und beschließen, welche Schritte Sie als Nächstes unternehmen werden.

Zwei Szenarien

Viele große Ereignisse der heutigen Zeit ergeben nur in einem von zwei Szenarien wirklich Sinn:

  1. Deutschland bereitet sich auf eine Existenz als Chinas Kolonie vor.
  2. Deutschland und EU kopieren China, damit sie im »chinesischen Jahrtausend« gegen China bestehen können.

Gehen Sie einmal im Kopf die großen Meldungen der letzten Jahre durch, von Überwachung bis Impfzwang, von Propaganda-Dauerfeuer über staatliche Lenkung der Wirtschaft bis zur Bestrafung abweichender Meinung. Prüfen Sie selbst, ob eine der beiden Deutungen der richtige »Übersetzungsschlüssel« ist.

Ich will hier einige aktuelle Ereignisse herausgreifen und diese »Schlüssel« testen.

Amateur-Philosophiestadel

Die Behörden haben sich letztes Jahr eine perfide Formulierung ausgedacht, mit der jeder Regierungskritiker fertiggemacht werden kann.

Dieser neue Begriff heißt »demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates« – wobei das Schlüsselwort natürlich »Delegitimierung« ist.

Ich habe schon im Januar dieses Jahres darüber geschrieben. Damals habe ich dem Verfassungsschutz unter Haldenwang bescheinigt, einer »Art ›Amateur-Philosophiestadel‹« zu ähneln. Man erfindet sich politisch nützliche Kampfworte auf dem intellektuellen Niveau eines geisteswissenschaftlichen Erstsemesters – die Journaille wird brav so tun, als ergäbe es Sinn, und der brave Bürger wird es eingeschüchtert hinnehmen.

Mit dem neuen Zauberwort »Delegitimierung« kann jede Kritik als rechtsextrem abgetan und der Kritiker verfolgt werden.

Tatsächlich begibt sich der sogenannte »Verfassungsschutz« auf begriffsphilosophisch gefährlich dünnes Eis. Es fühlt sich für mich nicht wie demokratischer Stil an. Im Magen spüre ich beim Hören solcher Sprache eher den Stil von Diktaturen und Einparteiensystemen wie China. Es werden diffuse Kampfbegriffe entwickelt, mit denen jeder Kritiker diffamiert und quasi willkürlich verfolgt werden kann. Selbst wenn sich in den folgenden Gerichtsverfahren ein Freispruch ergeben sollte, weiß doch ein jeder, dass das Verfahren selbst den Ruin bedeuten kann.

Es hat etwas Kafkaeskes: Wie wollen Sie sich gegen einen Staat wehren, der lautstarke Kritik als »delegitimierend« etikettieren und damit für quasi-kriminell erklären kann?

Wenn Sie sich schon mal hineinfühlen wollen, wie es ist, mit einer unlogischen, aber mächtigen Superbürokratie zu verhandeln, hören und lesen Sie doch mal die aktuelle »Argumentation« des thüringischen Innenministers, warum »Corona-Leugner« »klar rechts motiviert« seien (welt.de, 7.6.2022).

Nein, die drohende Sprache der Politik ergibt nicht immer hundertprozentig Sinn, und sie soll es vermutlich auch nicht. 21 Prozent der »Querdenker« wählten die Grünen (so welt.de, 4.12.2020). Alles »Rechte«?!

Es fühlt sich wie Einschüchterung an. Willkommen im deutschen China (allerdings noch weitgehend ohne Hightech und Roboter).

Das Zauberwort

Mit dem Zauberwort »delegitimierend« haben sich die Behörden das Äquivalent zu den Zauberworten »rassistisch«, »anti-muslimisch« oder »sexistisch« geschaffen, wie etwa eine Sawsan Chebli sie verwenden könnte. Egal, welche himmelschreiende Inkompetenz sie an den Tag legen sollte, sie könnte jede Kritik mit einem dieser Zauberworte abwehren. Es kann nicht sein, dass Frau Chebli gründlich daneben greift – es kann immer nur »Rassismus« et cetera am Werk sein. Ähnlich ist es mit der Regierung und ihren Universalbegriffen für Kritiker wie »Rechte« et cetera. 

Aktuell scheint Frau Chebli wieder mal nach oben zu fallen, diesmal im Innenministerium; siehe etwa berliner-zeitung.de, 7.6.2022. Frau Cheblis politischer Erfolg, ähnlich wie der Erfolg ihrer Parteigenossen Scholz oder Steinmeier, tut der gefühlten Legitimierung der Demokratie größeren Schaden an als alle Querdenker zusammen.

Die DDR hatte Kampfbegriffe wie die »feindlich-negative Person«. Scientology hat »SP«, was »suppressive person« bedeutet. Und Deutschland hat eben »Rechter«, »Rechtsextremer« und »Delegitimierung« als Kampfbegriffe für Abweichler und Andersdenkende.

John Garnault in seinem Aufsatz über Sprache im Kommunismus schreibt:

For Lenin, Stalin, Mao and Xi, words are not vehicles of reason and persuasion. They are bullets. Words are weapons for defining, isolating and destroying opponents. And the task of destroying enemies can never end. (John Gornaut, nach Bill Bishop; via sinocism.com, 17.1.2019)

Zu Deutsch etwa:

Für Lenin, Stalin, Mao und Xi sind Worte keine Mittel der Vernunft und Überzeugung. Sie sind Kugeln. Worte sind Waffen, um Gegner zu definieren, zu isolieren und zu vernichten. Und die Aufgabe, Feinde zu vernichten, kann niemals enden. (John Gornaut, nach Bill Bishop; via sinocism.com, 17.1.2019, Übersetzung aus dem Englischen)

Wenn jemand mir eine andere Begründung für die intellektuell geradezu lächerlichen Wortwaffen wie »Rechte« (für alle Kritiker) und »Delegitimierung« geben kann, höre ich gern zu. Für den Augenblick scheint es mir aber recht präzise die aktuellen Phänomene zu beschreiben – und wohl auch zuverlässig kommende Ereignisse vorherzusagen – davon auszugehen, dass der erste Zweck dieser Sprachschöpfungen des deutschen Propagandastaates es schlicht ist, die sprachlichen »Kugeln« zu sein, die den Gegner zur Strecke bringen – und es erinnert manchen kritischen Bürger fatal an den Geist von Lenin, Stalin, Mao oder Xi.

Banal-philosophische Universalwaffe

Sollte China seine Macht über Deutschland ausweiten, könnte es einige Begrifflichkeiten einfach fortführen. Konzepte wie »Hetze« und »Faschist« für jeden Andersdenkenden hat man ja ohnehin aus der kommunistischen DDR übernommen (siehe dazu auch Essay vom 23.7.2018).

Es würde nicht überraschen, dass die Behörden ihre sprachlichen »Kugeln« auf Menschen anwenden könnten, die sich etwas zu laut über die Corona-Ermächtigung empörten.

Dass es unter den »Querdenkern« auch schwierige Gestalten gibt, das bestreitet ja niemand. Wenn Widerspruch bedeutet, alles verlieren zu können, werden bald vor allem die widersprechen, die wenig zu verlieren haben.

In Deutschland bringt es dich ins Parlament, mit Plakaten wie »Nie wieder Deutschland« zu marschieren, oder wenn »Deutschland, du Stück Scheiße« gebrüllt wird – du fürchtest aber, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten, wenn du allzu penetrant auf die Einhaltung von Grundrechten und Grundgesetz pochst.

»Querdenker« sind der letzte Rest wirklich lautstark politisch Engagierter. Es ist den Parteien maximal suspekt, wenn jemand sich politisch engagiert, ohne dafür einen Posten (oder zumindest eine Bratwurst samt Gratiskonzert) zu erhalten. Wer außer der Querdenker-Szene interessiert sich denn noch wirklich für Politik?

In jedem Montagsmarsch wird die Hoffnung lebendig, dass Politik sich zum Besseren ändern kann, dass der Bürger noch einen Einfluss auf die Politik hat. Es überrascht exakt wenig, dass solches bürgerliche Feuer gewisse Politiker verärgert.

Nur den Guten erlaubt

»Thüringens Innenminister will Coronaleugner ›konsequent‹ als rechtsextrem einstufen«, so lesen wir (spiegel.de, 7.6.2022).

Wieder bestätigt sich das neue Sprichwort: »Wird der Bürger unbequem, gilt er bald als rechtsextrem.«

Es werden Begründungen nachgeschoben, wie dass der Selbstvergleich von Ungeimpften mit den Juden des Dritten Reiches doch »Volksverhetzung« sei. Der Vergleich aktueller Ereignisse mit der Nazi-Zeit ist in Deutschland nur den von der Einheitsmeinung zertifizierten »Guten« erlaubt.

Man fragt sich, ob der deutsche Verfassungsschutz auch gegen Demonstranten in Israel vorgehen möchte, die exakt diesen Vergleich sehr öffentlich zogen (timesofisrael.com, 1.3.2021). Überraschend wäre es nicht: Die deutsche »Israelkritik« liebt es ja ohnehin, den Juden vorzuwerfen, nicht genug aus der deutschen Geschichte gelernt zu haben.

Ja, die totale Dämonisierung des politischen Gegners ergibt weit mehr Sinn, wenn man sie als Vorbereitung auf eine Gleichschaltung im Geist der Kommunistischen Partei Chinas deutet.

Okay, keine Vergleiche mit dem gelben Stern. Theoretisch gefragt: Was würden deutsche Politiker und Journalisten aber sagen, wenn Ungeimpfte sich als »die Uiguren von Deutschland« bezeichneten? Gewiss würde der Propagandastaat eine Art finden, das »rassistisch« zu nennen, und doch wäre ich auf die verbale Akrobatik gespannt.

Mehr Sinn ergeben

Und dann wären da noch die vielen »kleinen« Meldungen, die sehr viel mehr Sinn ergäben, wenn man sie wie »chinesische Projekte« deutete:

  • Im deutschen Staatsfunk wird der Kommunismus gepriesen, unironisch. (siehe @dlfkultur, 6.4.2022 und andere)
  • »Überzeugte Jungkommunistin« (Lafontaine, via YouTube; dw.com, 11.11.2015) und China-Freundin (dw.com, 17.11.2021; politico.eu, 13.10.2021) Merkel ist plötzlich wieder da, und gibt zu Protokoll, alles richtig gemacht zu haben. (spiegel.de, 8.2.2022)
  • Immer noch gefährlich unterschätzt: tiktok.com hat Google.com als populärste Domain der Welt abgelöst (so cloudflare.com, 20.12.2021). TikTok ist de facto ein chinesisches globales Datensammel-Projekt und das digitale Äquivalent zu einem Stabmixer, der ins Gehirn der Kinder gehalten wird (Reduktion der Aufmerksamkeitsspanne auf ca. 30 Sekunden, und so weiter). »Douyin«, die chinesische Variante von TikTok, ist sehr anders strukturiert als die westliche. Während man im chinesischen Original etwa Lern-Videos in Top-Charts findet (Beispiel-Link), ist die westliche Variante vor allem von hinternwackelnden Minderjährigen dominiert (kein Link). China macht schlicht westliche Kinder abhängig und blöde – und überwacht dabei jeden ihrer Schritte.

Ich bin sicher, dass Ihnen noch reichlich weitere Beispiele dafür auffallen, wo Deutschland »mehr China wagt«.

Betrifft es aber nur Deutschland und Europa?

(Nebenbei: Glaubt irgendwer, dass China nicht über die Kundenliste von Epstein oder Kopien des Hunter-Biden-Laptop-from-Hell besitzt? Das mögliche Erpressungspotential könnte »spannend« sein. Wie ist es eigentlich dem letzten US-Politiker ergangen, der die USA vor China schützen wollte? Sogenannte »Journalisten« weltweit und sogenannte »Democrats« in den USA führen noch immer Krieg gegen Donald J. Trump. Cui bono?)

Zu viel Methode

Politisches Schreiben heute ist immer auch ein »Chinaprotokoll«, in der einen oder anderen Form. Man führt Buch, wie die eigene Heimat mehr zu China wird – und »Heimat« kann hier sowohl für das eigene Land als auch für den mythischen »Westen« stehen, und »China« steht wahlweise die für konkrete Weltmacht als auch für das Prinzip der buchstäblich un-verschämten Totalüberwachung und außer/-postdemokratischen Macht.

Wenn Ihnen ein besseres »Wörterbuch« zur Deutung aktueller Entwicklungen einfällt, als das von mir vorgelegte, dann wäre ich durchaus interessiert. Aber, dass SPD und andere Genossen eben offen unmoralisch und gefühlt korrupt sein könnten, ansonsten aber nur chaotisch und planlos, das genügt mir nicht (mehr) zur Erklärung. Dafür hat sich in den Wahnsinn arg viel Methode eingeschlichen.

Ich gehe davon aus, dass wir in der einen oder anderen Form »zu China werden«, sei es als Kolonie oder als Kopie, und alles Schreiben über diese Zeit protokolliert immer auch unsere Chinawerdung.

Bevor du durstig bist

毋临渴而掘井, so sagt man in China. Es bedeutet etwa: »Grabe einen Brunnen, ohne durstig zu sein.«

Oder, etwas freier übersetzt: »Grabe einen Brunnen, bevor du durstig bist.«

Soll heißen: Wenn es so weit ist, ist es zu spät, Maßnahmen zu ergreifen.

Ich weiß nicht, ab wann wir tatsächlich eine »Kopie oder Kolonie Chinas« sein werden. In Davos und anders scheinen sie ja ebenfalls an »alternativen Weltmächten« zu laborieren.

Tag für Tag

Manche sagen, dass das Chinesische Jahrtausend längst begonnen hat, und zwar schon vor Jahrzehnten – unumkehrbar. Andere sagen, dass die Debatte noch offen ist.

Wenn Sie sich also manchmal fühlen, als wären Sie in einem fremden Land mit fremder Sprache aufgewacht, dann sei Ihnen versichert, dass Sie damit nicht allein sind. Es geht mir und manchem anderen genauso.

Lassen Sie uns weiter daran arbeiten, das richtige »Wörterbuch« zu finden. Wenn wir es nicht »finden«, dann schreiben wir es eben selbst – Wort für Wort, Tag für Tag.

Weiterschreiben, Wegner!

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